Der Klimawandel nimmt in seinen Auswirkungen spürbar zu und wurde vom Weltklimarat IPCC erstmals als „eindeutig menschengemacht“ bezeichnet. Parallel steigt das Interesse an erneuerbaren Energien und das Thema Nachhaltigkeit entwickelt sich zu einer zentralen Priorität für Unternehmen in allen Sektoren. Versicherungen kommt als Risikoträger eine Schlüsselrolle sowohl in der Absicherung wie auch in der Ermöglichung und Realisierung langfristiger Nachhaltigkeitsszenarien zu.
Dabei ist Nachhaltigkeit eine vielschichtige Verantwortung: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre internen Umwelt-, Sozial- und Governance-Prinzipien (ESG) im Einklang mit allgemein akzeptierten Verfahren und guter Ethik stehen. Gleichzeitig müssen sie Wege finden, um durch ihre angebotenen Produkte und Services zur Verbesserung der Gesellschaft und der Umwelt insgesamt beizutragen. Dabei ist die Versicherungsbranche hervorragend positioniert, um einen starken Beitrag für Nachhaltigkeit zu leisten, sowohl als Investor in nachhaltige Initiativen, als Risikoträger für Nachhaltigkeitsprojekte, sowie als Anbieter von Absicherungsmaßnahmen für die Umweltbedrohungen ihrer Kunden.
Versicherer als Investoren in Nachhaltigkeit
Investitionen in Nachhaltigkeit haben das Potenzial einen großen Hebel zu erzielen. Die Europäische Kommission berichtet, dass Europa eine jährliche Investitionslücke von 260 Mrd. EUR schließen muss, um seine Klima- und Energieziele für 2030 zu erreichen. Versicherungen sind in der Lage, einen großen Beitrag in Richtung dieses Ziels zu leisten: Laut Insurance Europe belief sich der für nachhaltige Anlagen bereitgestellte Betrag bereits für den Zeitraum 2019/20 auf rund 150 Milliarden Euro. Hierbei treten Versicherer zum einen über ihre angebotenen Finanzprodukte direkt als Investoren auf, zum anderen müssen sie die Prämien aus ihren Versicherungsprodukten bis zur Fälligkeit von Ansprüchen und Leistungen anlegen. Laut Insurance Europe ist die Versicherungsbranche damit Europas größter institutioneller Investor, und somit ein wichtiger Ankerpunkt stabiler, langfristiger Finanzierungen für Regierungen und Unternehmen.
In Europa finden sich hierzu bereits mehrere Beispiele: Ein deutscher Versicherer kaufte einen Solarpark in Spanien, um zukünftig ca. 30.000 Haushalte mit grünem Strom zu versorgen. In den Niederlanden beteiligt sich ein Versicherer aktiv an einem 300-Millionen-Euro-Fonds, der Schulen, Theater und andere nachhaltige öffentliche Einrichtungen unterstützt. In Schweden haben die Investitionen der Versicherer in grüne Anleihen, die 2018 von der Stadt Stockholm vergeben wurden, erfolgreich Projekte finanziert, darunter energieeffizientes Wohnen, Stromversorgungsstellen für Elektroautos, Schulen und eine moderne Abwasserkläranlage. Versicherer tragen auch zu nachhaltigen Gemeinschaften bei, wobei die Investitionen der österreichischen Versicherer zur Schaffung von mehr als 100.000 Einheiten erschwinglichen Mietwohnungen führen.
Versicherer als Risikoträger nachhaltiger Projekte
Nachhaltige Entwicklungen benötigen aber nicht nur Investitionen, sondern auch Versicherung in einem klassischeren Sinne, um Projekte durch die Übernahme von Risiken finanzier- und umsetzbar zu machen, und damit überhaupt erst zu ermöglichen. Versicherer können hier aktiv als Initiatoren von Projekten auftreten, oder als reine beteiligte Versicherung.
Schauen wir beispielsweise einmal zu unseren europäischen Nachbarn in Spanien, zur Initiative „Healthy Cities“ von Sanitas. Ziel des Projekts ist es, den Zusammenhang zwischen Gesundheit, Umwelt und Mobilität in europäischen Städten greifbar zu machen. Sanitas brachte Unternehmen und ihre Mitarbeiter, öffentliche Einrichtungen, NGOs, Branchenverbände und Stiftungen zusammen im Kampf gegen einen sitzenden Lebensstil und für die Umwandlung europäischer Städte in ein gesünderes, nachhaltigeres und lebenswerteres Umfeld: Die Teilnehmer haben ihre erlaufenen Schritte gemessen und bei Erreichung eines vorher definierten Ziels spendete Sanitas für die ökologische Gestaltung der öffentlichen Infrastruktur. Mit mehr als 2,3 Milliarden Schritten von Mitarbeitern aus 40 teilnehmenden Unternehmen wird ein 75 km langer Waldgürtel an der Stadtgrenze Madrids angelegt. Der ökologische Beitrag wird so für alle lokal erlebbar. In eine ähnliche Richtung gehen dezentrale Beispiele in Deutschland, bei denen Versicherer Anbieter von Sharing-Modellen unterstützen um den ressourcenschonenden Einsatz von Gütern zu fördern.
Versicherer als Anbieter nachhaltiger Produkte
Versicherer spielen auch eine wichtige Rolle bei der Einstellung und Vorbereitung ihrer Kunden auf die Auswirkungen des Klimawandels.
Risiken zu identifizieren, zu managen, vorzubeugen und im Bedarfsfall zu restituieren – oder in anderen Worten: Bewusstsein für Risiken zu schaffen, ihre Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren, dem Schadensfall vorzubeugen und im Bedarfsfall zukunftssichere Erneuerung möglich zu machen – bildet das Fundament des Versicherungsgeschäftsmodells. Versicherungen können direkt wie auch indirekt positiv Einfluss nehmen, indem sie (wie im Sanitas-Beispiel) ihren Kunden Nachhaltigkeitsanreize offerieren und für ihre Partner Nachhaltigkeitsanforderungen definieren. Dazu bedarf es einer neuen Ausgestaltung des Produkt- und Service-Angebots mit adaptierten Risikobewertungs- und -zeichnungsrichtlinien unter Fokus auf Prävention und Einbeziehung des individuellen Vorsorgebeitrags. Die individuelle Eigenverantwortung sollte berücksichtigt sowie eine bedarfsgerecht enge, kontinuierliche Kundeninteraktion etabliert werden. Dabei ist nicht nur eine bessere Absicherung vor langfristigen Klimaveränderungen auf die Kundenrisiken zu betrachten – umgedreht sollte die Erreichung von Klimazielen ebenfalls proaktiv in die Gestaltung maßgeschneiderter Produkte für Verbraucher mit unterschiedlichen Risikoprofilen und -präferenzen einbezogen werden. Um dies zu erreichen können Versicherungen neben starren Vertragsregelwerken neue Technologien einsetzen, die beispielsweise den Austausch und die Analyse großer Mengen an Daten und Informationen in Echtzeit und im Hintergrund ermöglichen, und automatisiert sowie intelligent passende konkrete Maßnahmen anbieten. Die präventive und serviceorientierte Ausgestaltung von Versicherungsprodukten spielt dabei eine zunehmend zentrale Rolle um den Kundenkontakt langfristig zu sichern und zu intensivieren. Somit wird die gesamte Versicherungswertschöpfungskette vom Wandel erfasst.
Versicherungen kommt zentrale Rolle bei der nachhaltigen Transformation zu
Diverse Versicherungen in Deutschland, Schweiz, Österreich und ganz Europa steigen bereits in das Geschäft mit Plattformen und Apps ein, um ihren Kunden einen ganzheitlichen Service zu bieten. Einige nutzen dabei die Kombination mit Wearables und anderen IoT-gestützten Alltagsgegenständen, was den Grundstein für eine kontinuierliche und integrierte Kommunikation mit Kunden legt, von Beratung über Prävention bis Schadenrestitution.
Auf der rahmengebenden Ebene sind Versicherer gut positioniert, um politische Entscheidungsträger mit Instrumenten wie Risikozonierung und -kartierung zu unterstützen, und durch vorausschauende Risikomodelle zu einem besseren Verständnis von klimatischen und sozialen Bedrohungen und Lösungsszenarien beizutragen. Einige nationale Versicherer und Verbände haben sich bereits mit Behörden zusammengetan, um Daten über klimabedingte Schäden auszutauschen und zu analysieren. Beispielhaft zu nennen sind hier die großen Rückversicherer und auch der Gesamtverband Deutscher Versicherer im Zuge der Flut 2021 im Ahrtal und anderer Regionen Deutschlands und Europas.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Versicherungen eine zentrale Rolle bei der Förderung von Nachhaltigkeit spielen. Ihr Beitrag kann verschiedene Formen annehmen. Welche Möglichkeiten sich Versicherern dabei konkret bieten, welche Anforderungen dies mit sich bringt und welche Herausforderungen sich auf dem Weg stellen werden wir im weiteren Verlauf dieser Blogserie in Verbindung mit konkreten Marktlösungen erörtern.