Die globale Transformation

Das 21. Jahrhundert wird als große Umbruchphase in die Geschichte eingehen. Wie wird es gelingen, diese Herausforderung anzunehmen? Welche Denkmodelle und Handlungsmuster gibt es, wenn wir unsere Zukunft gestalten möchten. Darüber diskutierte Gert Scobel in seiner Sendung „Die globale Revolution“ mit Patrizia Nanz, vom Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS Potsdam), Stefan Brunnhuber von der Hochschule Mittweider Sachsen, Mitglied des Club of Rome, und mit Claus Otto Scharmer vom  Massachusetts Institute of Technology (MIT), Boston/USA.

Die Welt befindet sich in einer schwierigen Phase, die zum Innehalten und gleichzeitig zum sofortigen Handeln zwingt. Greta Thunberg formulierte vor der UN beschwörend: „Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen, wir stehen am Anfang einer Massenausrottung und alles über das geredet wird sind Games und Märchen vom ewigen Wirtschaftswachstum.“

Es ist nicht mehr zu leugnen, dass wir regional, aber auch global gewaltige und dringende Probleme haben, die einer schnellen Lösung bedürfen und es sich dabei auch nicht um Einzelprobleme handelt, sondern um ein ganzes Bündel. Die wichtigsten:  Klima, Energie, Armut, Natur und Gewalt. Wir haben noch eine Zeitspanne von 6 bis 12 Jahren, um die Weichen neu zu stellen und das Schlimmste zu verhindern. Die Runde um Gerd Scobel versuchte eine Bestandsaufnahme und erörterte Handlungsmöglichkeiten.

Der kurze Lagebericht externer Expert:innen

Vor Beginn der Diskussion wurden Expert:innenmeinungen eingespielt. Hier die Statements.

Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie: „Technische Lösungen allein reichen nicht. Obwohl wir so viel neues Technisches in die Welt gebracht haben, haben wir viele der Probleme nicht gelöst. Wir müssen noch nachdenken über neue Wohlstandsmodelle, die Frage wie wir gutes Leben vom rein technologischen und materiellen Wachstum entkoppeln. Der Fetisch des ewigen Wachstums zerstört die Lebensgrundlagen. Denn Wachstum heißt in jedem Fall Ressourcenverbrauch. Doch eine entfesselte Finanzindustrie fordert immer höhere Renditen. Dagegen steht die Idee der Gemeinwohlökonomie und eines grünen Wachstums.“

Oliver Holtemöller, Professor of Economics an der Martin Luther University Halle-Wittenberg: „Die Probleme lassen sich eher individuell lösen. Wenn wir etwas wirksam für den Klimaschutz tun wollen, dann geht das notwendigerweise heute nur mit dem Konsumverzicht einher.“

Wolfgang Beute, Gesellschaft für Demokratiepädagogik: „Nur durch Überzeugung und positive Erfahrung können wir die nachwachsenden und die aktiven Menschen immer wieder neu für die Demokratie interessieren.“

Wolfgang Merkel, Demokratieforscher: „Die normalen Institutionen und Prozeduren funktionieren zwar noch. Wir wählen Autoritäten, die jedoch als gewählte Regierungen nicht mehr die Macht haben, wichtige Umstände unseres Lebens mitzubestimmen.“

Fabian Scheidler: Autor von ´Die Megamaschine: „Wir haben eine groteske Ungleichheit auf unserem Planeten, die sozial und politisch überhaupt nicht durchzuhalten ist. Die Kombination dieser sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen Krisen führt meines Erachtens tatsächlich in eine chaotische Übergangszeit.“

Nochmal Greta Thunberg:

„Wir werden euch nicht damit durchkommen lassen. Genau hier ist es, wo wir die Grenze ziehen. Die Welt erwacht und die Veränderung kommt, ob es euch gefällt oder nicht.

Foto: 3sat

Auszug aus den Statements der Teilnehmer bei Scobel:

Patrizia Nanz, IASS Potsdam: „Die anstehenden Transformationen betreffen gleichzeitig verschiedene Bereiche:  Umwelt, Klima, Energie und Digitalisierung. Daher erfordern sie eine ganzheitliche Herangehensweise. Es gilt sie demokratisch zu gestalten und aus den vielfältigen Erfahrungen der Menschen zu lernen und diese Erkenntnisse für eine lebenswertere Zukunft zu nutzen.“

Stefan Brunnhuber, Mitglied des Club of Rome: „Transformation ist möglich, aber individuelle Lebensstilveränderung und disruptive Technologien reichen nicht aus. Wir brauchen vor allem zweierlei: Ein neues integrales Mindset und – noch wichtiger – grundlegende Korrekturen am Aufbau unseres Finanzsystems. Die bisherigen Bemühungen – sogar auch der Green New Deal der EU – sind nicht ausreichend.“

Claus Otto Scharmer, MIT, Boston/USA: „Das Wichtigste, was ich gelernt habe, aus all diesen Projekten ist, dass man Systeme nicht ändern kann, solange man nicht auch sein Bewusstsein verändert. Und man kann sein Bewusstsein nicht verändern, ohne das System wirklich zu verstehen und zu erfahren. Deshalb habe ich am MIT die Theory U entwickelt, die als Grundlage und Wegweiser für Transformationsprozesse dient.“

Diskussionsverlauf (Zusammenfassung)

Nanz: Es muss gehandelt werden

„Ich glaube, dass jetzt der Punkt gekommen ist, wo die Wirtschaft aufgewacht und bereit ist Maßnahmen zu ergreifen und zu handeln. Doch ich bin nicht sicher ob man weiß, wohin man geht. Die Frage ist, wie man zu kollaborativen Prozessen kommt, also zur Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und dabei die Schnittstellen so gestaltet, dass sie auch funktionieren. Es darf doch nicht sein, dass die Wissenschaft wichtige Erkenntnisse hat und diese in Schubladen unentdeckt liegen bleiben.“

Scharmer: Wir brauchen eine
solidarische und nachhaltige Ökonomie

„Der ganze Nachhaltigkeitsdiskurs und die Social Responsibility Bewegung haben bisher nicht zu einer Transformation des Verhaltens geführt, im Gegenteil nur dazu, dass mehr vom gleichen gemacht wird. Die erste Transformation, die wir vor uns haben ist, ist die Transformation der Ökonomie in Richtung einer solidarischen und nachhaltigen Ökonomie. Durch das, was bisher unternommen wurde, kommt sie jedoch nicht in Gang.“

Brunnhuber: Der Schlüssel ist
eine neue Finanzarchitektur

„Welche Finanzarchitektur benötigen wir, um die Realökonomie nachhaltig zu machen, um Lebensstile nachhaltig zu machen, um Konvenienz nachhaltig zu machen? Wenn uns das nicht gelingt, dann wird uns die Transformation nicht gelingen. Und es besteht Handlungsbedarf. Es muss klar sein, dass wir nur noch 6 – 12 Jahre haben und keine 100 Jahre mehr, um die Transformation, insbesondere der Finanzstruktur zu bewerkstelligen.

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AUTOR/-IN

Dr. Peter Braun, Herausgeber

Dr. Peter Braun ist auch Leiter des Kognos Instituts, das sich mit der Trend- und Zukunftsforschung und dem Zukunftsmanagement beschäftigt.