Rückgang der Innovationstätigkeit
2020 berichteten wir im Zukunftsmonitor erstmals über die Bertelsmann-Studie „Innovative Milieus in Deutschland“. Nun gibt es die neue aktuelle Studie „Innovative Milieus 2023, sodass nun Veränderungsprozesse dargestellt werden können. So ist der Anteil innovativer Unternehmen in Deutschland innerhalb der letzten drei Jahre deutlich gesunken. Nur noch jedes fünfte deutsche Unternehmen kann heute als besonders innovativ bezeichnet werden. 2019 galt dies noch für jeden vierten Betrieb. Und es ist allein in den zurückliegenden drei Jahren der Anteil der Unternehmen, die nicht aktiv nach Neuerungen suchen, von 27 auf 38 Prozent gewachsen. Auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene lässt sich ein Rückgang der Innovationstätigkeit beobachten. So liegt der innovative Output – also die Gesamtheit aller erfolgreich umgesetzten Produkt-, Prozess-, Organisations- oder Marketinginnovationen aller Unternehmen – 2022 um 15 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Hier die Ergebnisse als Summary:
- Wirtschaftlicher Erfolg und Innovationsprofil hängen eng zusammen
Wirtschaftlicher Erfolg und die Beschäftigungsdynamik hängen eng mit dem Innovationsprofil der Unternehmen zusammen. So liegt die Nettoumsatzrendite bei den innovationsstärksten Milieus um 27 Prozent über dem Durchschnitt aller Unternehmen. Und selbst in den zum Teil bereits durch Corona geprägten Jahren zwischen 2018 und 2021 verzeichneten die innovationsstärksten Unternehmen im Schnitt einen doppelt so hohen Beschäftigtenzuwachs wie der Durchschnitt aller Unternehmen.
- Innovative Unternehmen treiben Nachhaltigkeitstransformation besonders stark
Die Unternehmen der innovationsstärksten Milieus leisten zudem deutlich mehr für die Nachhaltigkeitstransformation. Rund 80 Prozent aller Technologieführer und Disruptiven Innovatoren setzen Prozess- und Produktinnovationen mit dem Ziel höherer Nachhaltigkeit um. 62 Prozent der Betriebe aus diesen beiden Milieus versuchen sich auch bewusst an Geschäftsmodellinnovationen. Nur 16 Prozent der eher innovationsfernen Milieus befassen sich mit Geschäftsmodellinnovationen, um die Transformation aktiv anzugehen.
- Vernetzung und Kooperation sind Schlüssel
Starke Wertschöpfungsnetzwerke, exzellente Forschung und leistungsfähige Infrastrukturen sind zentrale Faktoren, wenn es darum geht, Innovationsfähigkeit wieder zu stärken. Insbesondere die Kooperationen zwischen Unternehmen, Start-ups sowie Forschung und Wissenschaft helfen dabei, die immer weiter steigende Komplexität zu beherrschen.
Technologieführer und Disruptive Innovatoren sind deutlich intensiver mit Lieferanten, Kunden, anderen Unternehmen und der Wissenschaft vernetzt als andere Unternehmen. Sie innovieren eingebettet im Verbund und suchen sich die jeweils geeigneten Partner.
Besonders groß ist der Unterschied bei der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft. Während die beiden hochinnovativen Milieus ähnlich intensiv mit der Wissenschaft und Lieferanten zusammenarbeiten, bestehen bei den innovationsschwachen Unternehmen so gut wie keine Verbindungen zur Wissenschaft.
- Handlungsempfehlungen aus den Ergebnissen
Für die einzelnen Milieus werden unterschiedliche Handlungsempfehlungen gegeben. Dies gilt für
- Unternehmen ohne Innovationsfokus: Innovations-Audit, Öffnung für Innovationen, Anreizstrukturen implementieren
- Zufällige Innovatoren: Systematisches Umfeld-Monitoring, Anreizstrukturen implementieren, Schulung Innovationsmethoden
- Technologieführer: Strategisches Zukunftsmanagement, Kooperation mit Wissenschaft und Start-ups, Entwicklung alternativer Geschäftsmodelle
- Disruptive Innovatoren: Kooperationen mit Deep-Tech-Start-ups, Radikale Business-Modell-Innovation-Formate nutzen, Schulung Innovationsmethoden
- Passive Umsetzer: Systematisches Umfeld-Monitoring, Kooperation mit Wissenschaft und Start-ups, klare Innovationsstrategie entwickeln
- Konservative Innovatoren: Ganzheitliches Innovations-Management, Innovations-Audit, Patentmanageme
- Kooperative Innovatoren: Experimentierräume und Innovations-Labs einrichten, Friendly-User-Tests, Suche nach neuen Geschäftsmodellen
Und hier die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Vergleich 2019-2022:
Aktiver Innovationsfokus ist rückläufig
Der Anteil der Milieus mit aktivem Innovationsfokus hat sich zwischen 2019 und 2022 reduziert. Der Anteil der besonders innovativen Unternehmen ist von 25 Prozent im Jahr 2019 auf 19 Prozent im Jahr 2022 gefallen. Der Anteil der Unternehmen, die relativ bis sehr innovationsfern sind, ist von 27 Prozent im Jahr 2019 auf 38 Prozent im Jahr 2022 gestiegen.
Die Breite der deutschen Unternehmenslandschaft ist heute weniger innovationsaktiv als vor drei Jahren. Ein klarer Innovationsfokus wurde in vielen Unternehmen abgelöst durch eine eher passive, abwartende und „innovationsopportunistische“ Haltung.
Die Technologieaffinität lässt nach, Zusammenarbeit mit Wissenschaft stagniert
Technologie büßt ihre Relevanz als eine wesentliche Quelle von Innovation allmählich ein. Die Unternehmen sehen sich – mit Ausnahme der Technologieführer, der Konservativen Innovatoren und der Passiven Umsetzer – immer weniger als technologische Vorreiter. Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten – sowohl im Inland als auch im Ausland – sowie die Kooperation mit Akteuren der Wissenschaft sind zwischen 2019 und 2022 nicht nennenswert ausgebaut worden. Darauf deutet auch der Trend hin, dass Patente ihre Bedeutung immer weiter verlieren. Dies mag auf vielfältige Ursachen zurückzuführen sein. Plausibel erscheinen u.a. bürokratische Hemmnisse, zu hohe Kosten im Zuge der Anmeldung und unsichere Erfolgsaussichten im Verletzungsfall.