Künstliche Intelligenz: Was Philosophen denken

Mit ChatGPT hat künstliche Intelligenz gelernt, direkt mit Menschen zu interagieren. Die Software versteht Bedeutungen, generiert scheinbar perfekte Texte, die neueste Version GPT-4 erkennt auch Bilder, baut Webseiten und beantwortet uns jede Frage in jeder Sprache. Siehe hierzu: ChatGPT: Die künstliche Intelligenz für Jedermann revolutioniert das menschliche Leben

Künstliche Intelligenz gehört nun zu unserem Leben

Damit ist die Künstliche Intelligenz (KI) und der Einsatz derselbigen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und sofort stellen sich wichtige Fragen, wie zum Beispiel: Werden viele Jobs wegen KI bald überflüssig? Wie lässt sich eine Welle von Fake-News und -Bildern verhindern? Und wie lässt sich KI kontrollieren?

Um diese Fragen und mehr zu klären, unterhielt sich Richard David Precht in seiner ZDF-Talkshow „Precht” am 4. Juni 2023 mit der Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz zum Thema:  „Kein Platz mehr für den Menschen – Macht KI uns überflüssig?”.

Wir haben Angst

„Ich glaube, die Angst, die wir vor den Maschinen haben, ist die Angst, dass wir uns in ihnen selber spiegeln”, vermutete die Wissenschaftlerin. “Wir haben Angst, dass die sich so verhalten wie wir, also die Welt zu beherrschen.” Doch es sei ein Trugschluss, die weitere Entwicklung der KI mit der Evolution von Menschen gleichzusetzen, sagte Bunz. Gastgeber Richard David Precht merkte derweil kritisch an, “dass wir in der Diskussion über die Möglichkeiten und Gefahren von KI ständig dabei sind, uns vor Geistern zu fürchten”. Bunz schloss sich dem an und ergänzte: “Diese große Furcht ist absurderweise etwas, in dem sich die Menschen verstecken.”

Vom Menschen geht die größte Gefahr aus

Das mulmigste Gefühl habe sie im Hinblick auf die Menschen selbst, räumte die Wissenschaftlerin ein: “Diesen Willen der Menschen, doch gerne Sachen abzugeben und sich nicht mehr verantwortlich zu fühlen, halte ich bei Künstlicher Intelligenz für das größte Problem.” Und weiter: „Bei ChatGPT kann ich alle nur warnen: Bitte auf keinen Fall als Suche benutzen, es ist nicht das nächste Google!” Das liege schlichtweg daran, dass der Sprachgenerator nicht zwischen Fiktion und Fakten unterscheiden könne. Das führte Precht in der Konsequenz zur kritischen Nachfrage: “Kann ich ChatGPT vertrauen?” Mercedes Bunz entgegnete unmissverständlich: “Nein, auf keinen Fall.”

Vorsicht Gefahr: Misstrauen zersetzt unsere Gesellschaft

Permanente Skepsis würde eine “Kultur des Misstrauens” befeuern, befürchtete der Philosoph Precht. Das wiederum veranlasste ihn zu einem Gedankenspiel: “Wenn ich im Zeitalter der unendlichen Manipulierbarkeit lebe und eigentlich nichts mehr glaube und grundsätzlich nicht mehr vertraue, dann wage ich die Prognose, fliegt unsere Gesellschaft auseinander.”

Schreiben unterscheidet uns vom Tier

Daneben warf Precht die Frage auf, welche negativen Auswirkungen eine Verbesserung von Maschinen hinsichtlich der Texterstellung auf die Fähigkeiten von Menschen, Texte zu schreiben, habe. “Schreiben ist das, was uns von Tieren unterscheidet”, betonte der 58-Jährige. Verkümmere diese Fähigkeit, würden ganz andere Konsequenzen drohen als etwa bei der Rechenfähigkeit, die zunehmend von Computern oder Taschenrechnern übernommen wird.

Auch Harari warnt in seinem Buch HOMO DEUS

Hier muss auf den Historiker und Erfolgsautor Yuval Noah Harari verwiesen werden. „Man muss den Menschen keine Chips ins Gehirn implantieren, um sie zu kontrollieren oder zu manipulieren“, brachte es Harari in seinem Vortrag „AI and the Future of Humanity“ beim Frontiers Forum im Mai 2023 auf den Punkt. „Seit Tausenden von Jahren nutzen Politiker oder Propheten Sprache und das Geschichtenerzählen, um Menschen zu manipulieren und zu kontrollieren und die Gesellschaft neu zu gestalten.“ Hier übernimmt nun die KI eine ganz neue Rolle.

KI beherrscht Sprache

Harari weiter: „Indem die KI die Sprache beherrscht, ergreift sie den Hauptschlüssel. Dieser schließt die Türen aller unserer Institutionen von Banken bis zu Tempeln auf“, schlussfolgert er. „Denn Sprache ist das Werkzeug, mit dem wir unserer Bank Anweisungen erteilen und auch himmlische Visionen in unseren Köpfen wecken. Man kann es sich so vorstellen, dass die KI das Betriebssystem der menschlichen Zivilisation gehackt hat. Das Betriebssystem jeder menschlichen Zivilisation ist immer schon Sprache gewesen. Am Anfang war das Wort.“

KI erzählt Geschichten

Doch in der neuen Welt der KI werden die Geschichten nicht mehr von Menschen erzählt, sondern von Big Data und Computeralgorithmen, wie Harari in seinem Buch „HOMO DEUS“ schreibt. Bisher ging man davon aus, dass Menschen aus Daten Informationen gewannen, Information in Wissen verwandelten und Wissen in Klugheit. Doch die Menschen können die heutigen ungeheuren Datenströme nicht mehr bewältigen und nicht mehr zu Informationen, geschweige denn zu Wissen oder Klugheit destillieren. Also müssen die Datenströme elektronischen Algorithmen anvertraut werden, deren Kapazitäten die des menschlichen Gehirns weit übertreffen. Soweit Harari.

Was aber.wenn die Geschichten von der KI weiterentwickelt, weitererzählt werden? Können sich dann nicht neue Gedanken oder sogar Lebenskonstrukte entwickeln, die weder mit Bewusstsein agieren noch Wertvorstellungen entwickeln? Dazu kommt noch, dass die KI in der Lage ist, Wirklichkeit zu verfälschen und den Menschen kriminelle Missbrauchsmöglichkeiten in unvorstellbaren Dimensionen zu geben?

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Zukunftsmonitor > Richard David Precht, Philosoph; Mercedes Bunz, Kulturwissenschaftlerin, Kings College London; Yuval Noah Harari, Historiker