Gemeinsam stark: Resilienz durch Vernetzung und Zusammenarbeit

Vortrag von Prof. Wildemann am 5.3.2024 zur Eröffnung des 31. Münchner Management Kolloquiums

> In einer Zeit weitreichender Umwälzungen ist die Unsicherheit und Komplexität über verschiedene Bereiche hinweg stark gestiegen. Dies erfordert neue Strategien zum Umgang mit diesen Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Stakeholdermanagements. Unternehmen werden dazu ermutigt, sich verstärkt in gesellschaftliche Debatten einzubringen und Lösungen für gesellschaftliche Probleme anzubieten. Im Gegenzug möchten sie eine “Licence to Lead” erhalten. Resilienz ist hierzu ein zentrales Konzept, welches die Fähigkeit beschreibt, Schocks auszuhalten und sich anschließend schnell zu erholen. In Krisenzeiten kommt es darauf an einen kühlen Kopf zu bewahren, zuversichtlich zu sein und mit Veränderungen aktiv umzugehen. Mitarbeiterbeteiligung und verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Wir erkennen eine Veränderung der Zielsetzung, von der Gewinnmaximierung hin zur Krisenvorsorge. Dabei dienen Vertrauen und Kommunikation als Treiber für erfolgreiche Unternehmensführung. Das Motto der kommenden Jahre sollte sein: Mutig — Zusammen – Besser.

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Weitreichende Umwälzungen — über alle Erfahrungsbereiche hinweg — sind um ein Vielfaches unsicherer und komplexer geworden. Wenige Stichworte wie Digitalisierung, Klimawandel, Konflikte und Konjunkturzyklen reichen aus, um die Veränderungen zu verdeutlichen. In dieser Situation wird jeweils das gleiche Problem, der gleiche Sachverhalt und die gleiche Ressource aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen.

Kurz: Es existieren unterschiedliche Interessen der Stakeholder. Es ist also notwendig, eine angemessene Strategie des Umgangs mit Unsicherheit und Komplexität zu denken.

In der Betriebswirtschaft wird vorgeschlagen, sich bei der Modellierung von Interessensdivergenzen Stakeholder-Modellen zu bedienen. Es geht also darum, wie Akteure zu gemeinsamen Lösungen kommen, die für beide akzeptabel sind.

Die Devise „Gemeinsam stark“ ist mit einer stärkeren Verantwortungsübernahme und einem erhöhten Transparenzbedarf verbunden.

Die Stakeholder-Theorie bezieht sich auch auf das Ideal des ehrbaren Kaufmanns, also dem Prozess der Gegenseitigkeit von Geben und Nehmen im sozialen Austausch. Es geht also darum, einen gemeinsamen Mehrwert für das Stakeholder-Netzwerk zu schaffen. Im Gegensatz zu einem eindimensionalen Maximierungsansatz ist ein aufwendiger, interaktiv orientierter Interessenausgleichs-Prozess zu entwickeln, der einem schwierigen Balance- Akt gleichkommt.

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Der Interessenausgleichs-Prozess

Die Operationalisierung des Stakeholder-Management-Konzepts erfolgt durch die Vergabe von Lizenzen. Damit muss die Betriebserlaubnis, also die Licence to Operate, immer wieder aufs Neue durch die Stakeholder verdient werden. Hinzu kommt, dass die Licence to lnnovate und die Licence to Compete mit allen Stakeholdern im Netzwerk erarbeitet werden muss. Mit diesem Konzept der drei Lizenzen ist es aber nicht getan. Die Verbraucher delegieren Verantwortung für soziale und ökonomische Nachhaltigkeit der Produkte an die Unternehmen und erteilen ihnen die Licence to Grow.

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Gesamtgesellschaftliches Engagement

Unternehmen müssen sich auch in die Debatten um relevante Zukunftsthemen einbringen, die Lösungen für gesamtgesellschaftliche Probleme bieten. Der Verweis auf Rahmenbedingungen, zu hohe Lohnkosten, zu teure Energie, zu viel Bürokratie reicht nicht. Es gilt, gesellschaftliche Erwartungen über den wirtschaftlichen Erfolg hinaus zu erfüllen, um eine Licence to Lead zu erhalten. Dabei ist zu berücksichtigen:

  • Die USA zahlen nicht mehr für unsere Sicherheit — mit der Folge einer hohen Verschuldung des Staates,
  • China ermöglicht den Unternehmen keine höheren Margen mehr und
  • die Inflation lässt die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinandergehen.

Hier stellt sich nun die Frage: Wie kann ein Unternehmen unter VUCA- Umständen gemanagt werden und Überraschungen und Schocks überstehen?

Um die Wirkweise von Schocks zu systematisieren, nutzen Ökonomen sowie Naturwissenschaftler 4 Merkmale:

  1. die Amplitude —also die Kraft, mit der ein Schock das System trifft,
  2. die Frequenz —also der Abstand der Einschläge,
  3. die Langzeitwirkung — die Einflussdauer auf der Zeitachse und
  4. das statistische Muster des Auftretens — nicht prognostizierbar.

Dazu folgt die Frage: Werden sich die Unternehmen rasch erholen oder werden sie bei Schocks dauerhaft ausscheiden?

Das Lösungskonzept heißt Resilienz

Resilienz ist ein Begriff aus der Materialforschung. Es steht für die Fähigkeit zurückzufedern, im Unterschied zur Robustheit, deren Fähigkeit es ist standzuhalten. Es geht also darum, einen Sturm zu überstehen und sich danach zu erholen.

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Statt Panik und Angst, Zuversicht und positives Denken

Aus der krisenhaften Zusammenballung der Schocks wird Panik erzeugt. Angst vor Wohlstandsverlust und Angst um die Arbeitsplätze. Angesichts der Unsicherheiten ist es wahrscheinlich, dass apokalyptische Zukunftsvisionen uns lähmen. In einer schwierigen Zeit kommt es darauf an, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu schauen, was man schaffen kann. Für die Bewältigung von Angst sind wir allein verantwortlich. Wir benötigen eine Balance von Pessimismus und Zuversicht — allein mit positivem Denken und Achtsamkeit werden wir es nicht hinbekommen.

Robustheit erhöhen und Regeneration beschleunigen

Wir wissen: In Krisenzeiten werden die Marktanteile neu verteilt und alte Strukturen im Unternehmen aufgebrochen. Deshalb braucht man in diesen Zeiten Mut, um sich weiterzuentwickeln. Um es mit Max Frisch zu sagen: „Krise ist eigentlich etwas Gutes, wenn sie nicht den Beigeschmack von Katastrophe hat.“ Dies erfordert:

  • einen stabilen Kompass, der sich an Wertvorstellungen orientiert,
  • um Menschen zusammenzubringen und das Verhalten auf Lösungen zu fokussieren,
  • Ideen zu finden, um die Kosten zu managen, also machen und umsetzen und
  • Zukunftsinvestitionen tätigen.

Mitarbeiter einbinden

Dazu müssen die Mitarbeitenden aktiv in die Krisenbewältigung eingebunden werden, die Strategiearbeit ist zu intensivieren und Entscheidungen sind schnell zu treffen. Für kontroverse Situationen ist Öffentlichkeit zu erzeugen.

Verstärkte Zusammenarbeit mit Unternehmen

Auch lässt sich die Resilienz durch eine horizontale und vertikale, sowie diagonale Zusammenarbeit mit Unternehmen steigern. Die Vorteile sind sowohl strategischer als auch operativer Art. Sie reichen vom besseren Marktzugang über Effizienzsteigerungen bis zur schnelleren Marktzuführung von Produkten. Die Ideen, um Kosten besser zu managen, sind gemeinsam mit den Mitarbeitern zu erarbeiten. Dieser Prozess kann schmerzhaft sein, da Budgets verkleinert und Personal angepasst werden muss. Dabei gilt es, den vermeintlichen Widerspruch zwischen Produktivitätssteigerung und Mitarbeiterzufriedenheit aufzulösen. Zeit ist hier ein wichtiger Faktor.

Überleben ist wichtiger als Reichtum

Ein Fazit aus den Resilienz-Überlegungen ist: Die Menschen orientieren sich weniger an Gewinnmaximierung, sondern mehr an Krisenvorsorge. Überleben ist wichtiger als Reichtum. Ein Beispiel, dass es in den Kosten heute ebenfalls Quantensprünge gibt, ist die Anwendung von ChatGPT. Erste valide Studien zeigen: Wissensarbeiter, die Kl einsetzen, erledigten im Durchschnitt

  • 12,2 Prozent mehr Aufgaben,
  • waren 25,1 Prozent schneller,
  • erzielten 40 Prozent bessere Ergebnisse

als Menschen ohne Kl-Einsatz. Trotz dieses Potenzials muss mit der KI verantwortungsvoll umgegangen werden. Die Unternehmen müssen sich dabei an Prinzipien halten:

  • Zuverlässigkeit & Sicherheit
  • Regeln
  • Ausbildung
  • Tools und Prozesse

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Der Resilienz-Kompass

In Management-Büchern findet man den Satz: “Never Iet a good crisis go to waste.” Antizyklisch vorzugehen, klingt ex-post immer nach einer brillanten Idee, doch man muss es sich leisten können, und vor allem den Mut haben, es zu tun. Ein zentrales Feld, das in vielen Branchen ein kapitalarmes Wachstum ermöglicht, ist die Digitalisierung. Es ist dabei hilfreich, die Investitionsrate auf Wachstums-, Effizienz- und Risikoaspekte abzuklopfen. Für Investitionsentscheidungen in Krisenzeiten ist nicht nur die Richtung vorzugeben, sondern auch ein Coaching der Mitarbeiter durchzuführen und letztlich das Budget freizugeben. Ein Resilienz-Kompass kann hierfür hilfreich sein. Resilienz ist nicht gratis, aber langfristig überlebenswichtig. Es geht um Investitionen in Sicherheit und Regenerationsfähigkeit. Vertrauen ist die Basis für jede Aktivität. Dies alles wird unter der Chiffre „Purpose“ vereint. Es gibt zu diesem Wort keine vernünftige Übersetzung ins Deutsche.

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Purpose ist eine Mischung aus Ziel, Sinn, Bestimmung und Lebensinhalt

Purpose ist etwas, wofür es sich lohnt, morgens aus dem Bett zu steigen. Welche Idee steckt dahinter? Es sind dies die Forderungen nach moralischer Legitimation, Schonung der natürlichen Grundlagen allen Wirtschaftens, Einhaltung sozialer wie gesellschaftlicher Standards und Partizipation der Kunden, mit denen alle Unternehmen heute konfrontiert sind. Die Schaffung einer Vertrauenskultur ist eine Investition in die Gesundheit des Unternehmens und Gesundheit ist messbar

  • an der Kundenzufriedenheit,
  • an der Mitarbeiterzufriedenheit und
  • natürlich an den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen.

Vertrauen ist der Treibstoff, der Unternehmen aktiv sein lässt

Dazu sind Versprechen einzuhalten und konkrete Ergebnisse zu liefern. Kurz: Leadership ist gefragt. Es ist ein Paradox: Wenn Unsicherheit sich ausbreitet, wächst das Bedürfnis nach Leitung, Orientierung und Halt. Aber jeder Manager, der vorgibt zu wissen, wohin die Reise geht, trifft auf Vorbehalte. Um diese abzubauen, ist Kommunikation erforderlich, denn Kommunikation schafft Transparenz und Sicherheit. Kommunikation wird somit zum Führungskonzept.

In Krisenzeiten gilt: Ausprobieren, Fehler machen, ständig anpassen

Willensstärke und Resilienz sind hierfür unabdingbar. In Zukunft werden wir mit Grauschattierungen konfrontiert,— es gibt kein Schwarz oder Weiß. Hier hilft nur ein moralischer Kompass und der Wille, notwendige Entscheidungen auch umzusetzen. Denn ein „Weiter so“ ist keine Option. Die Zukunft ist kein Selbstläufer, sondern das, was wir aus ihr machen. In Krisenzeiten ist es erforderlich, eine visionäre Kraft zu entwickeln. Bloße Managementfähigkeiten des Status quo können der gefährlichste Kurs sein. Die Schaffung von Strukturen organisatorischer Art können jedoch helfen, die strategischen Überlegungen weiterzutragen. Schneller läuft man zuvor allein, aber zusammen sind die Ergebnisse reichhaltiger. Deshalb gilt die These:

Mutig Zusammen Besser

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AUTOR/-IN

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann Gründer und Geschäftsführer Unternehmensberatung TCW und Münchner Management Kolloquium, Inhaber TUM Forschungsinstitut für Unternehmensführung, Logistik und Produktion

Der Autor Horst Wildemann ist Professor an der TU München, Geschäftsführer der Unternehmensberatung TCW (www.tcw.de) in München und Veranstalter des jährlich stattfindenden Münchner Management Kolloquiums MMK (www.management-kolloquium.de)