Mit Achtsamkeit zu einem neuen Mindset für Innovation

Eine wichtige Frage, die sich Unternehmen in Zeiten von Krisen stellen sollten, ist folgende: Agieren wir als Unternehmen bewahrend oder nutzen wir die Herausforderung als Chance für Innovation und Wachstum?

Mit Blick auf aktuelle Studien stellen wir fest (Bertelsmann Zukunftsstudie Leben, Arbeit, Bildung 2035+, 2020): Die Corona-Krise hat die Digitalisierung in Unternehmen beschleunigt. Trends wie digitales Arbeiten, die Adaption von neuen Arbeitsmethoden und die Integration digitaler Werkzeuge in die Team-Arbeit zeigen ihre Effekte. Dennoch ist Deutschland kein Vorreiter, wenn es darum geht, neues Arbeiten zu ermöglichen. Home Office per Gesetz, wie von Arbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagen, wurde Ende 2020 abgelehnt – trotz der Tatsache, dass vereinzelte Unternehmen weiter zurückhaltend darin sind, die Arbeit von zu Hause und die entsprechende Ausstattung ihrer Angestellten zu unterstützen.

Durch mentale Modelle den Wandel ermöglichen

Das Bewahren des Status Quo hinsichtlich der Art wie gearbeitet wird, hat auch einen Effekt auf das Mindset, das in einem Unternehmen vorherrscht.

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Abb. 1: Die ganzheitliche Digitalisierung – ein Prozess hin zu Innovation und Wachstum (Quelle: Weifenbach)

Es beeinflusst,wie neue Ideen behandelt werden, wie Innovation gemeinsam im Unternehmen verstanden wird, aber auch wie das Unternehmen auf sich verändernde Bedingungen eingeht. Ein ganzheitliches Vorgehen, das sich auf mentale Modelle stützt, ist insbesondere auch in Bezug auf die Digitalisierung ein Erfolgsrezept.

Neue digitale Geschäftsmodelle

Die digitale Transformation ist in vollem Gange und verändert bestehende Industrien radikal. Sie beschreibt einen ganzheitlichen Veränderungsprozess, der Unternehmen zum Umdenken zwingt. Denn lange erfolgreiche Geschäftsmodelle werden nach und nach durch neue, digitale Geschäftsmodelle ersetzt. Junge Unternehmen verändern bestehende und kreieren neue Märkte. Digitale Technologien beschleunigen diesen Wandel und fordern Unternehmen zu Innovation und Veränderung heraus. Das löst in Unternehmen und den Menschen im Unternehmen Stress und Druck aus, der durch die aktuelle Krise weiter erhöht wird.

Krise bremst innovatives Vorgehen

Die Schwierigkeit ist: Wie kann sich ein Unternehmen für Innovation und Veränderung öffnen, wenn die Menschen im Unternehmen damit beschäftigt sind, sich halbwegs durch die aktuelle Krise zu manövrieren? Die Forschung bestätigt: Wenn der Mensch unter Stress steht, fällt es ihm tendenziell schwerer, sich mental für Neues zu öffnen. Das Gehirn befährt bevorzugt bekannte Autobahnen im Kopf. Das hat einen Effekt darauf, wie Entscheidungen getroffen werden und welche Routinen bedient werden.

Innovation ist eine gemeinsame Reise

Innovation ist ein gemeinschaftlicher und ganzheitlicher Prozess. Produktinnovation hat in diesem Sinne auch immer einen Effekt auf die Kundenbedürfnisse, welche neu adressiert werden und auf das Umsatzmodell, das passend zum Produkt und zu den Kunden gestaltet werden muss. Das heißt nichts anderes, als dass die Innovation eines Elementes, eines Geschäftsmodells auch immer eine Veränderung der anderen Elemente des Geschäftsmodells zur Folge hat (s. Abb. 2).Dieses Bild hat ein leeres Alt-Attribut. Der Dateiname ist Abb-2-1024x683.png

Abb.2: Geschäftsmodellinnovation definiert nach dem St. Galler Business Model Navigator (2016)

Folglich ist es wichtig, Ansprechpartner für die Innovation zu haben, welche sich auch über die Bedeutung einer offenen und transparenten Kommunikation ihrer Innovationen über innere sowie externe Unternehmensgrenzen hinweg bewusst sind. Dies gilt in Richtung der Kunden und hinsichtlich einer frühen Integration von Kunden in den Innovationsprozess. Ebenso bedeutend ist es, Kollegen und Kolleginnen beispielsweise aus den Bereichen Marketing, Vertrieb und Logistik einzubinden, welche die Innovation mittragen. Das erfordert Agilität und Flexibilität. Es macht Anpassungsfähigkeit in Denken und Handeln nötig. Hier geben sich Innovation und Veränderung die Hand auf dem Weg zu einem neuen Mindset.

Durch Achtsamkeit ein neues Mindset im Unternehmen leben

Dieser Wandel des Mindsets beschreibt einen systemischen Prozess, der auf der Ebene des gesamten Unternehmens basiert und beim einzelnen Menschen ansetzt. Hier kann Achtsamkeit unterstützen. Achtsamkeit wird von Jon-Kabat Zinn, Begründer des Programms Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), als urteilsfreie Präsenz über den aktuellen Augenblick definiert. Laut der aktuellen neurowissenschaftlichen Forschung, haben Achtsamkeitspraktiken positive Effekte auf das Wohlbefinden, die Empathie und die Kreativität. So lässt sich Jon-Kabat Zinn wie folgt ergänzen:

„Achtsamkeit ist Präsenz über Handlungen, Ziele und Potentiale, die den Menschen befähigen, Verantwortung mutig zu übernehmen und Veränderung in Verbundenheit mit Herz und Verstand zu gestalten – wertungsfrei, empathisch, bewusst.“ (s. auch Dopfer, 2019)

Achtsamkeit ist also deutlich mehr als eine Feel-Good Maßnahme am Arbeitsplatz. Sie ist essentiell für die Personal- und Organisationsentwicklung eines zukunftsorientierten Unternehmens. Dieses Unternehmen wächst gemeinsam mit gesunden, mutigen und veränderungsoffenen Mitarbeitern und Führungskräften.

Verschiedene Achtsamkeitspraktiken unterstützen darin, in diese Präsenz zu kommen. In Situationen, die als negativer Stress erfahren werden, helfen Achtsamkeitspraktiken, nicht in den Fight or Flight Modus zu verfallen. Sie fördern die innere Ruhe und erhöhen den Fokus. Regelmäßige Übungen wie Meditationen oder bewusstes Atmen unterstützen die Konzentration, die Lernfähigkeit und die Offenheit.

So hilft Achtsamkeit, die Resilienz – die innere Widerstandsfähigkeit – zu steigern, die in Zeiten von Stress, Druck und Unsicherheit immer wichtiger wird. Vorteile für Unternehmen

Ein Unternehmen, das seine Angestellten darin unterstützt, Achtsamkeitspraktiken in den Arbeitsalltag zu integrieren, fördert somit Gesundheit, Kreativität, Empathie und Veränderungsfähigkeit auf kollektiver Ebene. So schafft es eine Grundlage für ein geteiltes, neues Mindset, welches jeder Einzelne persönlich als förderlich für sein Denken und Handeln erfahren kann. Diese positive Erfahrung ist es auch, die Menschen darin unterstützt, ihre mentalen Modelle zu erweitern und Dinge zu hinterfragen, die sie lange als Status Quo erachteten. Achtsamkeitspraktiken lassen sich vor allem im Team einüben und durchführen. Hier Hinweise zur Umsetzung.

5 Tipps für Achtsamkeit im Team

Mit Ritualen die Achtsamkeit im Team fördern

Atem-Anker: Atmen Sie drei Mal tief ein und wieder aus jedes Mal bevor Sie einen neuen Meetingraum (digital und real) betreten. So stärken Sie die innere Ruhe und Ausgeglichenheit.

Pausenzeit: Planen Sie Pausen- bzw. Fokuszeiten im Kalender ein und einigen Sie sich im Team, dass diese Zeiten nicht für Meetings gebucht werden. Das erhöht Fokus und Konzentrationsfähigkeit.

Der achtsame Check In: Starten Sie das Teammeeting mit einem Check In von 2-5 Minuten. Eine Frage dazu kann sein: Wie ist Deine Wetterlage heute? Im Anschluss teilt jeder Teilnehmer seine persönliche Wetterlage. Durch die Übung lernen die Kollegen über die Zeit sich gegenseitig besser einzuschätzen.

Ja, und – Regel: Führen Sie die Ja, und-Regel ein. Jedes Mal, wenn jemand das Bedürfnis hat, auf neue Ideen und Vorschläge mit „Ja, aber…” zu reagieren, wird er dazu angehalten, „Ja, und…” zu sagen. Diese Übung regt die kollektive Kreativität an.

Die Schnitzeljagd: Beginnen Sie Onlineworkshops mit einer digitalen Schnitzeljagd. Dabei erhält jeder Teilnehmer 3 Minuten, um Gegenstände aus seinem Umfeld zu sammeln. Der Moderator gibt vor, welche. Zum Beispiel: „Etwas Rotes; etwas Inspirierendes; etwas Warmes”. Danach teilen alle, was sie gesammelt haben und warum. Diese Übung erhöht das Vertrauen durch gegenseitiges Kennenlernen.

Siehe hierzu: Dr. Martina Weifenbach, geb. Dopfer, Autorin von “Achtsamkeit und Innovation in integrierten Organisationen” (Dopfer, 2019), Executive Coach und Gründerin von myndway.

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AUTOR/-IN

Dr. Martina Weifenbach, geb. Dopfer, Executive Coach und Gründerin von myndway

Dr. Martina Weifenbach ist Vorreiterin in der Verknüpfung von Digitaler Innovation, New Work und Achtsamkeit. Durch ihre Promoti-on an der Universität St. Gallen, am Alexand-er von Humboldt Institut (HIIG) in Berlin und an der UC Berkeley über digitale Ge-schäftsmodellinnovation von Startups und etablierten Unternehmen hat sie ein wissen-schaftliches Kognitionsmodell für die Gestal-tung von Veränderungsprozessen entwickelt. Die Neurowissenschaft ergänzt ihren Zugang um die menschliche Bewusstseinsperspektive. Diese wird zunehmend wichtiger, um die Ver-änderungen in der Arbeitswelt zu verstehen und Sinn- und Werte-orientiert zu begleiten, ohne die Veränderungen auf Pauschallösun-gen zu reduzieren.