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Purpose als Maxime für nachhaltigen Unternehmenserfolg

Purpose: Weltneuheit oder alter Wein in neuen Schläuchen?

Die Frage nach dem Zweck von Organisationen ist nicht neu. Seit Jahrzehnten wird sie in der Betriebs- und der Volkswirtschaftslehre diskutiert. Ist Gewinn das Endziel von Unternehmen, oder nur Mittel zum Zweck? Wenn letzteres der Fall ist, was ist dann dieser „Zweck“? Die Steigerung des Wohlstands? Die Erreichung gesellschaftlicher Ziele? Wer definiert diese gesellschaftlichen Ziele? Viele dieser Fragen sind noch nicht abschließend geklärt. Für Kenner war jedoch absehbar, dass ein Konzept wie Purpose aufkommen wird, in dem sich die veränderte Wahrnehmung unserer Geschäftswelt manifestieren wird. Spätestens Ende der Zweitausenderjahre, nämlich mit der Finanzkrise 2009 war klar: Das Wohlstandswachstum wird sich verlangsamen. Das aufstrebende China wird Sättigungsgrade erreichen. Fossile Energieträger werden knapper werden. Soziale Medien und das Internet werden Unternehmen und deren Praktiken transparenter und damit angreifbarer machen.

Genau hier versucht Purpose anzusetzen. Indem Unternehmen eine Daseinsberechtigung nachweisen, die über die reine Profitmaximierung hinausgehende Ziele verfolgt, glauben sie, auch bei sich wandelnden Anforderungen eine Legitimation in der Gesellschaft zu erreichen. Davon sollen sowohl „laute“ Stakeholder, also Menschen mit konkreten Interessen gegenüber dem Unternehmen, als auch „stille“ Stakeholder wie etwa die Biosphäre profitieren. Dass sich Unternehmen diese License to Operate hart verdienen müssen, ist den meisten Unternehmen inzwischen klar geworden. Dass Unternehmen diese Lizenz im Gegenzug sehr schnell wieder entzogen werden kann, wenn sich herausstellt, dass sie beispielsweise Menschenrechtsverletzung begehen oder Umweltskandale verursachen, mussten einige von ihnen schmerzlich erfahren.

Bei Purpose geht es den Unternehmen aber nicht nur um die Minimalanforderung, also eine Daseinsberechtigung. So könnte man nämlich die License to Operate bezeichnen. Vielmehr geht es Unternehmen darum, Vorreiter zu sein, Identifikationsmöglichkeiten zu schaffen und letztendlich Meinungsführer in der Gesellschaft zu sein. Schließlich bestimmt man lieber mit, in welche Richtung beispielsweise Branchengesetze hin entwickelt werden, als sie in die Feder diktiert zu bekommen. Das Konzept Purpose hat folglich mehr Facetten als die Grundsatzdebatte um die Daseinsberechtigung von Unternehmen. Es geht um Reputationsmanagement, Partnerschaftsmanagement, Mitarbeitermotivation, Employer Branding, strategisches Management und Corporate Governance und somit um die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs. Das Aufkommen des Konzepts Purpose war nach zahlreichen aufeinanderfolgenden Wirtschaftskrisen, dem Pariser abkommen, der Veröffentlichung der UN-Nachhaltigkeitsziele und sinkendem Wirtschaftswachstum in den letzten Jahrzehnten somit keine Überraschung. Der Ruf nach einem Umdenken in der Business-Welt wurde an vielen Stellen immer lauter. Auch die Denkmuster von Purpose sind nicht neu. Neu ist jedoch die Aufmerksamkeit, die diesen Themen aufgrund veränderter Umgebungsparameter zuteilwird. Es scheint fast so, als meinte es die Geschäftswelt dieses Mal ernst. 

Best-Practices zur Einführung eines Purpose

Nun stehen Unternehmen vor der Aufgabe, einen Purpose zu formulieren – vielleicht, weil ein Konkurrenzunternehmen erst kürzlich sein neu entwickeltes Statement veröffentlicht hat. Kurzerhand werden Personal- und Marketingabteilung beauftragt, innerhalb von zwei Wochen Vorschläge zu präsentieren. Das Ergebnis: Ein Purpose-Statement, das unter Zeitdruck mit der heißen Nadel gestrickt wurde, womöglich in einer Abteilung, der das Konzept bis dato gar nicht geläufig war. Die Gefahr ist groß, dass sich Mitarbeiter und wichtige Anspruchsgruppen des Unternehmens nur wenig damit identifizieren. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, gibt es fünf bewährte Best-Practices zu Purpose:

  • Ein Purpose muss glaubwürdig und authentisch sein
  • Die DNA der eigenen Organisation analysieren
  • Keine Angst vor Offenbarungen
  • Das Purpose-Statement zukunftsorientiert formulieren
  • Purpose ist Chefsache
  1. Ein Purpose muss glaubwürdig und authentisch sein

Die Empfehlung ist klar: Wenn Sie es mit dem Konzept Purpose nicht ernst meinen und deshalb auch keine schmerzhaften Veränderungen im Unternehmen vornehmen wollen, dann lassen Sie es lieber. Und das ist keine trotzige Aussage, sondern ein gut gemeinter Rat. Wer einen Purpose formuliert und dabei oberflächlich bleibt, der richtet mehr Schaden als Nutzen an.

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AUTOR/-IN

Jürgen Hamann, Senior Consultant, Unternehmensberatung TCW